Jacob Shepetinski

Zwei Urteile:

Auf den Spuren von Jacob Shepetinski

Jacob Shepetinski wurde 1920 in Slonim geboren. Im Sommer 1941 verändert sich sein Leben von Grund auf. Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, der Besetzung seiner Heimatstadt Slonim, kommt er als Jude ins Ghetto der Stadt Slonim. Wie durch ein Wunder entkommt er der Massenerschießung in Chepelowo, wo er nachts aus der Grube fliehen kann und zu den Partisanen in die umliegenden Wälder geht. Später wird er Soldat bei der Roten Armee und marschiert 1945 nach Berlin. Nach Kriegsende wird er zu zehn Jahren Gulag in das Stalinistische Russland, in den nördlichen Ural und anschließend für fünf Jahre zur Verbannung verurteilt. Herr Shepetinski, der mehrfach dem sicheren Tod entkam, hält als "Delegierter dieser Toten" seine Erinnerungen fest und sucht das Gespräch, besonders mit der jungen Generation.

Bezug zum Projekt:

Seit 2005 ist Herr Shepetinski mit den Jugendlichen des Internationalen Jugendworkcamps im regen Austausch und stetigen Kontakt. Das Bünder Jugendworkcampprojekt führt seit mittlerweile 14 Jahren internationale Jugendworkcamps im Nord/Westen Weißrusslands auf der ehemaligen Frontlinie des ersten und zweiten Weltkrieges durch. Die teilnehmenden Jugendlichen befinden sich in der Regel im Alter zwischen 14 - 18 Jahren. Die Jugendlichen leisten bei alten, allein lebenden Menschen, die Hilfe nötig haben, einen Baurenovierungseinsatz. Neben den baulichen Arbeiten hat die geschichtliche Aufarbeitung, die unsere beiden Völker betrifft, einen hohen Stellenwert. Die alten Menschen haben teils den ersten und alle den zweiten Weltkrieg erlebt. Während der Arbeitspausen erzählen die "Alten" viel vom Krieg, den persönlichen Schicksalen, die sie erlebt haben. Hieraus entwickelte sich bald für das internationale Jugendworkcamp ein zweiter wesentlicher Bestandteil unseres Projektes, die historische Aufarbeitung durch "Oral-Historie" mit vielen gesprächsbereiten ZeitzeugenInnen.

Seit 2003 hat das internationale Jugendworkcamp stetige Kontakte zu jüdischen Überlebenden bekommen und somit die historische Aufarbeitung gerade auch auf die Geschichte des Holocaust intensiv ausgeweitet. Seit 2005 beschäftigen sich die Jugendlichen, Deutsche wie Weißrussen, intensiv mit der Geschichte von Herrn Shepetinski. Anhand seiner Autobiographie, die ebenfalls 2005 herausgegeben wurde, hatte es sich die damalige internationale Jugendworkcampgruppe zur Aufgabe gemacht, seine Spuren in Weißrussland, die er in seinem Buch sehr bewegend beschreibt, aufzusuchen, ihnen nachzulaufen und sie anhand der historischen Dokumente zu erkunden.
Die Jugendlichen haben viele Spuren gesucht, gefunden und dabei auch selbst viele Spuren gesetzt. Das persönliche Gespräch und die Begegnung mit dem Ehepaar Shepetinski im Herbst des Jahres, bei dem Rückbegegnungsprogramm in Bünde, waren zum absoluten Höhepunkt unserer Projektarbeit geworden. Diese Begegnung blieb nicht ohne Folgen für die

künftigen internationalen Jugendworkcampprojekte. Mit dieser Begegnung waren wir bereits im Herbst des Jahres für das nächste Jahr komplett ausgebucht. Alle Recherchen und Ergebnisse unserer Arbeit werden grundsätzlich mit Herrn Shepetinski besprochen, diskutiert und ausgewertet, mittels Brief, Email und Telefonkontakt oder durch persönliche Begegnungen. Jedes Programm in jedem Jahr auf seinen Spuren wird mit ihm besprochen, gemeinsam vorbereitet und stetig um neue weitere historische Details, neue Orte ergänzt und erweitert.

Um dem Baurenovierungseinsatz wie auch der historischen Aufarbeitung auf Jacobs Spuren gerecht zu werden, haben wir die gesamte Projektzeit von maximal drei Wochen in drei Blöcke aufgeteilt. Wir beginnen in der Regel mit dem Arbeitseinsatz, sind dann anschließend etwa fünf Tage zur historischen Aufarbeitung im Land auf Jacobs Spuren unterwegs und anschließend wieder im Baueinsatz tätig. Die praktische Arbeit ist für uns selbst auch eine Hilfe, die schwere Geschichte, die schrecklichen Schicksale anders und besser verarbeiten zu können.

Das ganz praktische Handeln und die geistige Auseinandersetzung mit der Geschichte sind und bleiben Hauptbestandteil unseres Projektes.

Wir wollen die Erinnerung wach halten, denn nichts ist schlimmer als die Wahrheit über die Geschehnisse vergessen machen zu wollen.

Wir wollen den Opfern die Würde zukommen lassen, die man ihnen zu Lebzeiten entzogen und verweigert hat.

Wir sind in der Gruppe miteinander im Gespräch über die Lehren, die aus einer solchen Geschichte zu ziehen sind.