Iwan Adamowitsch Tarasjewitsch

Unser Treffen mit Iwan Adamowitsch Tarassewitsch

Durch Aktenfunde in Telechani wurden wir darüber informiert, dass es einen Veteranen gäbe, der mit Jakov Shepetinski an der zehnten Schleuse des Oginski-Kanals gekämpft haben soll.
Als in den drei Wochen Jugendworkcamp die sogenannten „Jakobs-Spuren“ anfingen, trafen wir uns mit Iwan Adamowitsch Tarassewitsch, dem Veteranen, und dem Guide Nikolaj Schkulov an dem Wygonoschtschanskoje-See, der zum Oginski-Kanal zur zehnten Schleuse führt. Adamowitsch hatte Jakov im März 1943 das letzte Mal gesehen. Bevor wir mit den Booten über den See zur zehnten Schleuse fuhren, sprachen Iwan und Jakov seit über 64 Jahren das erste Mal per Telefon miteinander. Jacov und Adamowitsch hatten sich all die Jahre gegenseitig tot geglaubt. Adamowitsch gründete nach Kriegsende eine Familie im Gebiet Ivasevitchy, während Jacov im Krieg bis vor den Reichstag nach Berlin kämpfte. Jacovs Weg führte dann in den Gulag, die Verbannung und schließlich über Riga nach Israel. Somit waren die beiden Männer sich sechseinhalb Jahrzehnte nicht mehr begegnet. Durch die Spurensuche des Internationalen Jugendworkcamps fanden sie sich wieder und standen danach im regelmäßigen Kontakt.

Adamowitsch wurde 1926 im Dorf Welitschkowitschi nahe Minsk geboren. Sein Vater wurde 1938 durch die Stalinisten hingerichtet, als er gerade einmal zwölf Jahre alt war. Als er 15 Jahre alt war hatten die Deutschen Weißrussland bereits okkupiert. Seine drei Geschwister (vier, sieben, und zwölf Jahre alt), wie auch seine Mutter wurden durch deutsche SS-Leute zuhause in der Küche getötet. Er, 16 Jahre alt, überlebte nur, weil er zu dem Zeitpunkt auf dem Feld war. Iwan Adamowitsch lebte nach dem Krieg in dem Gebiet Ivasevitchy, wo er mit 94 Jahren im November 2020 starb.

Ulrike Jaeger

Nachruf – Iwan Adamowich Tarassewitsch

Die Teilnehmenden der Internationalen Jugendworkcamps Bünde-Weißrussland sind traurig über den Tod von Iwan Adamowitsch Tarassewitsch. Wir werden ihn sehr vermissen. Es war immer berührend und eindrucksvoll ihm zu begegnen, seine Gastfreundschaft zu erleben, ihn mitzunehmen zum Oginski-Kanal, und mit ihm über die Kriegsgeschichte zu sprechen, die er persönlich erlebte.

Die große Versöhnungsarbeit, die er, wie auch Jacov Shepetinski, exemplarisch und absolut überzeugend lebte und uns allen vermittelte, wird in unseren Herzen und Gedanken unvergessen bleiben. Ihre Botschaft und Authentizität finden Ihres Gleichen so schnell nicht mehr. Für uns sind jetzt wirklich alle „Großen“ des letzten Jahrhunderts von uns gegangen. Adamowitsch und Jacov waren Menschen mit Charakter. Sie wird man wohl nirgendwo mehr finden. Da kommen die angeblich „Großen“ dieser Welt niemals gegen an. Sie werden unseren beiden Lieben das Wasser niemals reichen können.

Schade, dass sie nicht mehr unter uns sind, schön, dass wir ihnen begegnen durften und, dass sie uns für die Gegenwart und Zukunft geprägt und ausgebildet haben.

Wir haben in den zahlreichen Begegnungen mit ihnen erfahren, was Krieg bedeutet und erst recht Versöhnung. Der Vater von Adamowitsch wurde bei den stalinistischen Säuberungen 1938 ermordet. Als die Deutschen das Land 1941 besetzten, wurden seine Mutter und alle Geschwister zuhause erschossen. Er überlebte nur, weil er zu dem Zeitpunkt auf dem Feld war. Dann kämpfte er bei den Rotarmisten, und am Oginski-Kanal musste er die zahlreichen Opfer beerdigen, die er mit einem Holzboot transportierte. Er lernte dort auch Jacov Shepetinski kennen, deren Wege sich nach dieser Zeit trennten.

2008 haben sich Adamowitsch und Jacov nach 64 Jahren durch die Arbeit des „Internationalen Jugendworkcamps Bünde-Weißrussland“ am Oginski-Kanal mit unseren Handys auf der Bootsfahrt wiedergefunden. Sie hatten sich gegenseitig, 64 Jahre tot geglaubt. Uns war es eine Ehre die beiden wieder zusammenzubringen und eine große Gnade daran beteiligt zu sein.

 

Die Teilnehmenden des Internationalen Jugendworkcamps Bünde-Weißrussland erahnen und spüren den großen Verlust, den der Tod von Ivan Adamowitsch Tarassewitch für uns bedeutet. Wir werden sein Vermächtnis im Herzen und Leben bewahren.

Im stillen Gedenken Ulrike Jaeger und die ganze Bande.

>> ein Nachruf von Ulrike Jaeger