Internationale Jugendworkcamps – Humanitäre Hilfe, Erinnerung und Versöhnung
Das Internationale Jugendworkcamp (IJWC) ist ein Projekt der evangelischen Jugendregion Dünne-Spradow-Südlengern (bis 2004) Bünde-Ost (ab 2005) im evangelischen Kirchenkreis Herford, welches 1996 von Ulrike Jaeger konzipiert und gegründet wurde. Bis 2019 fanden jährlich dreiwöchige humanitäre Camps in den Sommerferien in dieser Trägerschaft, statt. Angebunden waren diese eigenständigen Internationalen Jugendworkcamps an die Initiative des Vereins „Heim-statt Tschernobyl e.V.“, mit dem die Evangelische Jugendregion Dünne-Spradow-Südlengern/Bünde-Ost in guter Weise kooperierte. Seit 2022 findet die Arbeit des Internationalen Jugendworkcamps, nach wie vor unter der Leitung von Ulrike Jaeger, aber in Trägerschaft des Amtes für Jugendarbeit, des evangelischen Kirchenkreises Herford statt.
Die Ursprünge des Vereins „Heim-statt Tschernobyl“ reichen bis ins Jahr 1990 zurück. Während einer Friedensradtour unter dem Motto „Erinnern für eine gemeinsame Zukunft“ entstanden über das Ehepaar von Bodelschwingh erste Kontakte nach Weißrussland. Sie stießen bei dieser Fahrradtour auf die Spuren beider Weltkriege, sowie auf die verheerenden Folgen der Tschernobyl-Katastrophe (26.04.1986).
Noch im selben Jahr entwickelte sich daraus in Kooperation mit einer Berliner Gruppe die Tschernobyl-Initiative. Zu den Partnern zählten der Verein „Berliner Kinder von Tschernobyl e.V.“, Dr. Sebastian Pflugbeil (ehemaliger Minister der DDR-Übergangsregierung) und die Bauakademie der DDR in Ost-Berlin. Geplant waren u.a. der Bau einer Produktionsstätte für biologische Kindernahrung in Chertsy sowie 50–60 Wohnhäuser. Bauträger wurde die Heimstätte Dünne GmbH. Im April 1991 entstand ein Musterhaus in Freistatt, im Mai begann der Bau in Chertsy. Die DDR-Bauakademie schied infolge fehlender Mittel nach der Wiedervereinigung aus dem Projekt aus.
Am 18. Mai 1992 wurde auf Initiative des Ehepaars von Bodelschwingh der Verein „Heim-statt Tschernobyl e.V.“ gegründet, der seitdem in Weißrussland aktiv ist. 1992 wurden erste Häuser für Familien aus der Tschernobyl-Region fertiggestellt.
Ab 1996 fand in Kooperation von der Evangelischen Jugendregion Dünne-Spradow-Südlengern mit dem Verein „Heim-statt Tschernobyl e.V.“ das erste Jugendworkcamp in Stachofzy statt.
Seitdem organisierte die Evangelische Jugendregion Bünde-Ost diese Camps jährlich bis 2019 in Weißrussland. Seit 2000 plante die Evangelische Jugendregion Dünne-Spradow-Südlengern darüber hinaus jährliche Rückbegegnungsbesuche der weißrussischen Jugendlichen nach Bünde in den Kreis Herford. Die Aufbaucamps des IJWCs fanden mit weißrussischen und deutschen Jugendlichen von 1996–2007 in den Dörfern am Narotschsee, Rayon Mjadel, von 2007 -2019 in Dörfern rund um den Lepelsee, Rayon Lepel, statt. Gemeinsam renovierten die Jugendlichen die Häuser älterer, alleinstehender und hilfsbedürftiger Menschen und verbesserten auf diese Weise deren Lebensbedingungen. Die stetige humanitäre Hilfe half dabei, gegenseitige Vorbehalte abzubauen. Das gemeinsame Leben und Arbeiten fördert für uns bis heute die Völkerverständigung und Versöhnung auf ganz praktische Weise.
Die Dörfer rund um Drushnaja am Narotschsee, wo die Workcamps begannen, standen nach dem Ersten Weltkrieg unter deutscher Militärverwaltung und wurden im Zweiten Weltkrieg (1941–1944) von deutschen Truppen nahezu vollständig zerstört. Die ZeitzeugInnen berichteten von Flucht, Deportation, Widerstand und Vernichtung – die Schrecken sind bis heute spürbar. Die Begegnung mit dieser Vergangenheit ist fester Bestandteil aller Workcamps.
Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der historischen Spurensuche: Gespräche mit Holocaust- und Kriegsüberlebenden wie Michael A. Treister (Minsker Ghetto), Jacov Shepetinski (Ghetto von Slonim), Artur Lew (Glubokoje) und Iwan Adamowitsch Tarassewitsch (Rotarmist und Zeitzeuge) prägten das Projekt bis heute nachhaltig. Besuche der Geschichtswerkstatt im ehemaligen Minsker Ghetto oder von Gedenkstätten wie Chatyn, Blagowtschina, Krasny-Bereg, um nur einige zu nennen, gehörten ebenso dazu wie mehrtägige Reisen zu historischen Orten. Der Kontakt zu den Überlebenden war und ist für die Jugendlichen von unermesslichem Wert. Zum einen, um die geschichtlichen Zusammenhänge besser zu verstehen und zum anderen für das eigene Leben und die Gestaltung unserer Zukunft.
Die Jugendlichen wohnten vor Ort immer in einfachen Unterkünften wie Sporthallen, Scheunen oder Pavillons. Sie lebten eng mit der lokalen Bevölkerung zusammen, lernten deren Alltag, Geschichte, Sorgen und Hoffnungen kennen. Dabei entstand ein direkter und unverstellter Austausch – aus Fremden wurden Freunde, aus Helfern der einstigen Täternation sogar EnkelInnen.
Mit der Corona-Pandemie und den Wahlprotesten in Weißrussland 2020 wie auch der veränderten Lage vor Ort, musste unsere Arbeit bis 2022 pausieren. Nach Beginn des Ukraine-Krieges und der daraus resultierenden politischen Lage wurden die Workcamps neu konzipiert und finden als Interimslösung seit 2023 in Bünde statt. Die Idee bleibt jedoch dieselbe: Begegnung auf Augenhöhe, ein sozial-diakonisches Handeln, Helfen wo Hilfe nötig ist, ein gemeinsames Erinnern, um Verständigung zu ermöglichen, einander zuhören -gegenseitiges Anteilnehmen, um die Zukunft menschlicher zu gestalten.
Wir sind keine politische Gruppe und möchten von niemandem für solche Zwecke benutzt oder instrumentalisiert werden. Schon gar nicht, wenn sie Menschen schädigen und diffamieren. Aus diesen Gründen verzichten wir auf jegliches Presse- und Bildmaterial, wie auf die Präsenz in den Social-Media-Kanälen. Der Schutz der Teilnehmenden und unsere Werte sind für uns dabei oberstes Gebot! Unsere Arbeit und unsere Ziele stehen nach wie vor ganz im Dienst für hilfsbedürftige, benachteilige Menschen die humanitäre Hilfe benötigen, dem Abbau von Feindbildern, dem Eintreten für Verständigung und Versöhnung.